Es ist harte Arbeit – jeden Tag

Ich arbeite jeden Tag an mir, damit ich eines Tages wieder Autofahren kann. Marion Hartner hatte als Folge Ihres Schlaganfalls neben einer Halbseitenlähmung eine Broca-Aphasie und Sprechapraxie, was ihre sprachlichen Fähigkeiten und ihre Ausdrucksweise insbesondere am Anfang massiv beeinträchtigt hat. Ihre Geschichte lesen Sie im Interview.

Marion Hartner am Fitnessgerät.

Marion Hartner hat als Folge eines Schlaganfalls neben einer Halbseitenlähmung eine Broca-Aphasie und Sprechapraxie, was ihre sprachlichen Fähigkeiten und ihre Ausdrucksweise insbesondere am Anfang massiv beeinträchtigt hat.

Reha: Frau Hartner, woran erinnern Sie sich in den ersten Tagen nach dem Ereignis?

Marion Hartner: Ich erinnere mich anfänglich an gar nichts. Das Erste, woran ich mich erinnere, ist der Besuch meiner Familie. Ich habe im Bett gele­gen und konnte nichts machen; meinen Arm, mei­ne Hand, mein Bein nicht bewegen. Konnte gar nicht reden. Essen – also schlucken – konnte ich zwar, aber ich wollte nicht.

Was waren Ihre Gedanken in den ersten Tagen nach dem Schlaganfall?

Ich konnte gar nicht denken, habe nur meine Toch­ter weinen gesehen, daran erinnere ich mich.

Wie sind Sie mit der massiven Beeinträchti­gung zu Beginn umgegangen?

Ich habe versucht zu sprechen, es kam jedoch nichts raus. Es ist schrecklich, nicht reden zu kön­nen. Und es macht aggressiv. Jetzt bin ich stolz, dass ich mich viel besser ausdrücken kann – ob­wohl ich es noch nicht so kann, wie ich es möchte. Insgesamt fühle ich mich «im Kopf» wacher & fit­ter – ich kann besser denken und meine Erinne­rungsfähigkeit insgesamt hat sich verbessert.

Was war das Schwerste für Sie?

Das Nichtredenkönnen. Vor dem Ereignis ging das Reden wie von selbst. Jetzt brauche ich so viel Konzentration, um Buchstaben und Wörter zu pro­duzieren und aussprechen zu können. Dinge, über die sich ein gesunder Mensch keine Gedanken macht. Zum Beispiel: An welcher Stelle stehen die Buchstaben im Wort?

Schreiben konnte ich erst gar nicht – nicht, weil es mit der linken Hand sein musste, sondern weil ich meine Vorstellung von Buchstaben, Wörtern und deren Bedeutung nicht sinnvoll zu einem Wort zusammenfügen konnte. Ich wollte reden, laufen, alles machen können mit der rechten Hand – aber der Körper hat nicht gemacht, was ich wollte. Das nervt nach wie vor. Ich wollte zuerst wieder reden, dann laufen, dann den rechten Arm ein­setzen können.

Wie gehen Sie mit Zwischentiefs um? Wie holen Sie sich da jeweils wieder heraus?

Es ist harte Arbeit – jeden Tag. Und es nervt! Es ist ganz schwierig, die «Ratschläge» von Thera­peuten oder auch anderen Menschen zu hören und sie anzunehmen, da sie eben NICHT wissen, wie es sich ANFÜHLT. Und das «Geduldhaben­müssen» ist extrem mühsam.

Insgesamt bin ich ein positiver Mensch. Viele Leute sagen, ich sei eine «Löwin» und kämpfe. Natürlich gibt es manchmal «doofe Tage» – aber dann mache ich einfach weiter! Seit ca. einem Jahr geht es nur bergauf. Mein Körper macht immer mehr, was ich will.

Was sind ihre tollsten Erfolgserlebnisse?

Schwimmen! Das ist mein Element, mein Sport. Als ich das erste Mal während der stationären Reha mit einer Therapeutin im Wasser war, habe ich geweint. Ich konnte zwar nichts machen und war total auf Hilfe angewiesen, aber es war so toll im Wasser! Mittlerweile kann ich rund 50 Meter alleine schwimmen – mit beiden Armen!

Wie erzielen Sie diese Fortschritte?

Ich arbeite jeden Tag an mir. Probiere vieles aus. Ich mache den Haushalt, die Wäsche inkl. Aufhän­gen und Zusammenlegen, esse mit Messer und Gabel, mache intensiv Therapien, gehe in die Medizinische Trainingstherapie (MTT) und gehe schwimmen. Wenn ich mich mit manch anderen Patientinnen und Patienten mit Schlaganfall ver­gleiche, habe ich ganz viel Glück gehabt. Dafür bin ich sehr dankbar.

Mir wurde erklärt, dass jeder Patient mit Schlag­anfall individuell beurteilt werden muss. Die unterschiedlichen Verläufe können nicht mitein­ander verglichen werden. Wenn ich nicht so gute Therapeutinnen und Therapeuten gehabt hätte und noch habe, wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin.

Marion Hartner im Fitness.

Marion Hartner im Schwimmbad.

Was ist anders an Ihrem «jetzigen Leben»?

Ich bin abhängiger von anderen, das mag ich gar nicht – mein grosses Ziel ist es weiterhin, wieder Autofahren zu können. Ich bin insgesamt sicher «ruhiger» geworden.

Welche «Weisheit» haben Sie in den letzten Jahren erlangt?

Lebe jeden Tag! Und rege dich nicht über Kleinig­keiten auf! Viele haben so ein tolles Leben und sind sich dessen nicht bewusst. Dankbar sein für das, was man hat! Und besonders dankbar bin ich meinem Mann und meinen Kindern – ein tolles und unterstützendes Umfeld ist ganz wichtig für mich.

Marion Hartner mit Partner.

Reha Rheinfelden

Rehabilitationszentrum